Dr. Angela Merkel: Deutschlands Zukunft ist eng mit der Zukunft Europas verbunden
Haushaltsgesetz 2018 - Bundeskanzlerin und Bundeskanzleramt
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir beraten heute den Haushalt für das Jahr 2018. Ich möchte als Erstes den Abgeordneten, insbesondere den Mitgliedern des Haushaltsausschusses, ein herzliches Dankeschön sagen; denn diese Arbeit fand unter hohem Zeitdruck statt. Aber es ist gut für das ganze Land, dass dieser Haushalt jetzt verabschiedet werden kann. Herzlichen Dank also dafür!
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, der FDP, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Diese Haushaltsberatungen finden in Zeiten kontroverser, zum Teil auch sehr emotionaler gesellschaftlicher Debatten statt. Nicht umsonst haben wir uns in der Koalitionsvereinbarung vorgenommen, den Zusammenhalt unserer Gesellschaft in den Mittelpunkt zu stellen. Diese kontroversen gesellschaftlichen Debatten müssen auch geführt werden; denn es geht um unsere Zukunft, um Deutschlands Zukunft, um die Zukunft Europas. Es geht um die Zukunft Deutschlands und Europas als Agierende in der Welt.
Da die Welt im Umbruch ist, ist es auch richtig, dass wir sehr grundsätzliche Fragen debattieren. „Die Welt ist schon zu integriert, ist zu sehr miteinander verflochten, als dass irgendein Land für sich sein eigenes Schicksal gestalten kann.“ Das sagte Ludwig Erhard schon vor 55 Jahren, also fast 30 Jahre vor den Maastrichter Verträgen, als an eine Europäische Union von 28 – im Augenblick noch 28 – Mitgliedstaaten gar nicht zu denken war.
Es war ein weitblickender Satz, und heute, über fünf Jahrzehnte später, ist die Welt in noch viel tieferem Maße miteinander verflochten in Bereichen des Klimas, der Wirtschaft, der Umwelt. Menschen, Institutionen und Staaten können das Schicksal ihrer eigenen Länder nur gemeinsam mit anderen gestalten.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Das bedeutet erstens, dass Deutschlands Zukunft eng verbunden ist mit Europas Zukunft in Schicksalsfragen, zweitens, dass Deutschlands Zukunft aufs Engste verbunden ist mit der Zukunft der globalen Ordnung in Bereichen von Wirtschaft, Handel, Sicherheit und Verteidigung und drittens, dass Deutschlands Zukunft aufs Engste verbunden ist mit der Frage, wie wir die Digitalisierung gestalten, die große technische Revolution unserer Zeit, die vieles völlig verändern wird.
Das sind drei sehr konkrete, aber eben auch grundsätzliche Fragen, und es geht um Richtungsentscheidungen in diesen Jahren. Wir müssen auf der Grundlage unserer Wertebasis, unseres Grundgesetzes, unseres Verständnisses vom Menschen die richtigen Antworten für diese neuen Zeiten finden.
Lassen Sie mich mit Europa beginnen. Europa war seit der Gründung und noch mit Blick auf den Zweiten Weltkrieg ein Versprechen für Frieden und ein Versprechen für Wohlstand. Glücklicherweise hat die Europäische Union dieses Friedensversprechen bis heute einhalten können, und wir tun natürlich alles dafür, dass es auch so bleibt.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)
Aber um uns herum findet dennoch eine Vielzahl von gewalttätigen Auseinandersetzungen, von Bürgerkriegen, von Kriegen statt, teilweise auch von großen regionalen Auseinandersetzungen, und das Wohlstandsversprechen gilt für viele Menschen bei uns in Deutschland, aber auch in anderen europäischen Mitgliedstaaten als nicht mehr so einfach erfüllbar. Wir haben das ja im Zusammenhang mit der Euro-Krise erlebt. Deshalb haben diese Themen, über die ich eben sprach, natürlich auch die Sitzung des Europäischen Rates, auf die ich Sie ja letzte Woche vorbereitet habe, bestimmt. Da standen eben Fragen der Außenbeziehungen, der Sicherheit, der Verteidigung, der Wettbewerbsfähigkeit und des Handels, des Digitalen, der Zukunft der Wirtschafts- und Währungsunion und des Brexits auf der Tagesordnung. Aber im Kern haben wir uns mit der großen Herausforderung der Europäischen Union beschäftigt, die uns ja auch hier zu Hause so in Bann hält. Das ist das Thema der Migration.
Die Interessenlage in der Europäischen Union bezüglich der Fragen der Migration ist unterschiedlich. Aber – und das war der eigentliche Wert dieses Rates – wir haben uns dazu verständigt, dass es eben nicht nur die Frage für einzelne Mitgliedstaaten ist, die diese Mitgliedstaaten herausfordert, sondern dass es eine Aufgabe ist, die alle angeht. Eigentlich trivial, eigentlich selbstverständlich und dennoch Gegenstand von vielen Stunden von Diskussionen, weil natürlich jeder fragt: Was bedeutet das jetzt für mich als Mitgliedstaat, wenn ich akzeptiere, dass das eine Herausforderung für alle ist?
Weil aber nach meiner tiefen Überzeugung und nach der tiefen Überzeugung vieler anderer der Umgang mit dieser Migrationsfrage darüber entscheiden wird, ob Europa Bestand haben kann, weil es eine so bewegende Frage ist, war es wichtig, dass wir zu dieser Einigung gekommen sind. Wir brauchen jetzt natürlich Antworten, die unseren Werten entsprechen und die davon ausgehen, dass die Würde jedes einzelnen Menschen unveräußerlich ist. Wir brauchen rechtlich konsistente Antworten, die dem Völkerrecht entsprechen, dem europäischen Recht und dem nationalen Recht. Wir brauchen solidarische Antworten in Europa, und wir brauchen vor allen Dingen realistische Antworten, die Gesellschaften nicht überfordern, sondern die im Alltag für alle auch lebbar sind.
(Zuruf von der AfD: Das sehen wir ja!)
Wir haben seit 2015 schon eine Vielzahl von Maßnahmen ergriffen, die auch dazu geführt haben, dass zum Beispiel über die Mittelmeerrouten 95 Prozent weniger Flüchtlinge kommen als 2015.
(Jürgen Braun [AfD]: Das waren die Österreicher! Dazu haben Sie nichts beigetragen!)
Wir haben beim Europäischen Rat über zwei Themen diskutiert, über das eine sehr ausführlich. Das ist das große Thema des Außengrenzenschutzes. Die österreichische Präsidentschaft mit Sebastian Kurz als Bundeskanzler hat sich genau dieses Thema als zentrales Thema vorgenommen. Wie können wir unsere Außengrenzen schützen? Da ist auf der einen Seite das Thema Frontex: besser ausgestattet, erweitertes Mandat. Die Kommission hat jetzt deutlich gemacht, dass wir bis 2020 10 000 Polizisten bei Frontex brauchen. Das ist mit Sicherheit nicht zu viel. Aber wenn wir wissen, wie gefordert unsere Polizei auch in Deutschland ist, dann können wir uns vorstellen, dass es nicht so einfach ist, 10 000 Polizisten für den Außengrenzenschutz abzustellen. Aber Deutschland wird seinen Beitrag hier leisten.
Wir haben uns mit der Situation in den Transit- und Herkunftsländern beschäftigt. Ich will hier nur an Libyen erinnern. Die europäische Mission Sophia, die eine Rettungsmission ist, hat jetzt sehr viel mehr Kraft darauf verwendet, die libysche Küstenwache aufzubauen und zu trainieren. Hier war einer der wichtigen Punkte, den wir noch einmal deutlich gemacht haben: Wenn es jetzt eine libysche Küstenwache gibt, die immer besser agieren kann, dann muss das internationale Recht auch eingehalten werden von allen, die dort im Seegebiet operieren.
(Jürgen Braun [AfD]: Von Ihnen muss erst mal das Recht eingehalten werden!)
Das gilt auch für die Nichtregierungsorganisationen. Das war gerade dem maltesischen Premierminister und dem italienischen sehr wichtig.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Wir haben über das EU-Türkei-Abkommen gesprochen und haben endlich die 3 Milliarden Euro als zweite Tranche, die nicht der Türkei zugutekommen, sondern den 3,9 Millionen Flüchtlingen, die die Türkei beherbergt, verabschiedet. Wir haben viel zu kritisieren an der Türkei. Aber das, was die Türkei für syrische Bürgerkriegsflüchtlinge leistet, ist ein Riesenbeitrag, und das verdient die Anerkennung aller.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)
Wir haben dann 500 Millionen Euro in den EU-Afrika-Trust-Fund gegeben, weil natürlich ein Land wie Italien sagt: Okay, die eine Route über die Türkei ist wichtig. Aber aus der Perspektive Italiens ist vor allem die Entwicklung Nordafrikas wichtig. – Deshalb war das auch ein sehr sinnvoller Beitrag. Wir haben dann sehr lange über das Wortungetüm von regionalen Ausschiffungsplattformen – man möchte das gar nicht in den Mund nehmen – gesprochen. Worum geht es? Es geht eigentlich um die Frage: Kann man mit afrikanischen Ländern Vereinbarungen darüber treffen, dass Flüchtlinge sich nicht erst auf den Weg durch die Sahara machen, dass Flüchtlinge nicht erst in eine menschliche Lage kommen, die völlig inakzeptabel ist, sodass es dann schwierig ist, in Libyen mit dem UNHCR und der Internationalen Organisation für Migration
(Zuruf von der AfD: Schlepperorganisation!)
überhaupt zusammenzuarbeiten? Wir haben über dieses Thema sehr intensiv diskutiert. Ich habe deutlich gemacht: Das alles wird nur gehen, wenn wir nicht über die Köpfe anderer Länder in Afrika hinweg sprechen, sondern wenn wir mit den Ländern sprechen. Deshalb brauchen wir einen neuen Pakt mit Afrika. Deshalb ist das Thema von Gerd Müller als Entwicklungsminister – Marshallplan für Afrika – wichtig.
Sie werden vielleicht gelesen haben: Bei der letzten Tagung hat die Afrikanische Union zum ersten Mal ein Migrationskonzept aus der Perspektive Afrikas entwickelt. Sie wird eine Koordinierungsstelle für Migrationsfragen in Marokko einrichten. Die kann Ansprechpartner für die Europäische Union sein. So muss die partnerschaftliche Zusammenarbeit auch sein. Denn wir dürfen nicht vergessen: Die Migrationsfrage ist für uns wichtig. Aber 85 Prozent – oder mehr – aller Migranten auf der Welt sind nicht in Europa, sondern woanders und leben zum Teil in bitterarmen Verhältnissen. Das heißt, Migration ist mitnichten ein europäisches Problem allein. Es ist ein globales Problem, und es erfordert eine globale Antwort.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Wir haben natürlich auch über Rückkehrmechanismen für Menschen gesprochen, die keine Anerkennung hier in Europa finden; die Afrikanische Union ihrerseits hat darüber gesprochen, dass es dann auch legale Möglichkeiten für Studienplätze, für Arbeitsplätze geben muss. Und in dem Zusammenhang ist aus unserer Sicht natürlich auch wieder ein Fachkräfteeinwanderungsgesetz wichtig.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Wo sind unsere Interessen, und wie können wir daraus Win-win-Situationen auch im Verhältnis zu Herkunftsländern mit heute illegaler Migration machen, meine Damen und Herren?
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)
Anders, wenn wir nicht solche Mechanismen finden, werden wir die Schlepper und Schleuser nicht bekämpfen können.
Wir haben dann über das Thema der sogenannten Sekundärmigration gesprochen, das heißt also der Wanderungsbewegungen innerhalb der Europäischen Union. Wir sind uns alle bewusst, dass die Vorteile von Schengen, nämlich die Freizügigkeit innerhalb des Schengen-Raums, in Gefahr geraten kann, wenn wir dieses Thema nicht wirklich bearbeiten. Deshalb ist die Aussage – um die Freizügigkeit zu erhalten, die Vorteile des Schengen-Raums zu erhalten –, dass Mitgliedstaaten interne Maßnahmen ergreifen müssen und sollen, aber eben auch partnerschaftlich zusammenarbeiten sollen. Genau auf dieser Grundlage habe ich meine Gespräche geführt: dass nicht einseitige Maßnahmen, nicht unabgestimmte Maßnahmen, nicht Maßnahmen zulasten Dritter stattfinden, sondern dass wir „partnerschaftlich“, wie es im Beschluss heißt, zusammenarbeiten.
(Jürgen Braun [AfD]: Wer spaltet Europa, wenn nicht Sie?)
Beim Thema Sekundärmigration sind wir uns, glaube ich, alle einig, dass Flüchtlinge sich nicht einfach aussuchen können, in welchem europäischen Land sie ein Asylverfahren durchlaufen. Auf der anderen Seite wissen wir – da wir noch keine solidarischen Verteilungsmechanismen haben –, dass es schwierig ist und dass wir auch die Außengrenzenstaaten natürlich immer wieder entlasten müssen. Aber es kann nicht sein, dass die Flüchtlinge bestimmen, wo der Asylantrag bearbeitet wird.
(Lachen bei Abgeordneten der AfD)
Auf dieser Grundlage habe ich mit Griechenland Gespräche geführt, dass sozusagen im grenznahen Bereich, wenn man davon ausgeht, dass noch gar keine Einreise stattgefunden hat – das kennen wir ja auch aus dem Flughafenbereich –, Flüchtlinge direkt wieder nach Griechenland zurückgeführt werden und dort das Asylverfahren bearbeitet wird. Im Gegenzug hat Griechenland darauf hingewiesen, dass eine Vielzahl von Flüchtlingen in Griechenland ist, die Anrechte auf Familiennachzug hat und dass wir auch dies Schritt für Schritt abarbeiten. Da wir jetzt ja beschlossen haben, beim subsidiären Familiennachzug pro Monat 1 000 Menschen aufzunehmen, können wir genau in diesem Bereich auch handeln.
Meine Damen und Herren, wir haben dann vereinbart – jetzt in den letzten Tagen –, dass wir ähnliche Abmachungen, Verwaltungsvereinbarungen, auch mit anderen Herkunftsländern treffen. Der Bundesinnenminister, Horst Seehofer, wird dazu jetzt die Gespräche führen, und ich werde das natürlich auch weitermachen.
Wir haben dann eine zweite Gruppe von Fragen. Das sind all die Bereiche in Deutschland, in denen keine permanenten Grenzkontrollen durchgeführt werden. Grenzkontrollen werden ja nur an der deutsch-österreichischen Grenze durchgeführt. Hier haben wir die Situation, dass die Dublin-Rücküberstellungsverfahren – das heißt, wenn Deutschland nicht zuständig ist für das Asylverfahren – sehr lange dauern und sehr ineffizient sind. Genau darüber habe ich mit etlichen Ländern gesprochen, weil selbst in unseren Nachbarländern, also gar nicht in den Hauptherkunftsländern, die Erfolgsquote von solchen Rücküberstellungen bei 15 Prozent liegt. Damit kann man sich nicht abfinden, und das wollen wir beschleunigen. Darüber haben wir auch gestern in der Koalition gesprochen, und das ist richtig. Es muss mehr Ordnung in alle Arten der Migration kommen, damit Menschen den Eindruck haben: Recht und Ordnung werden durchgesetzt. Das sind unser Auftrag und unser Anliegen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Sascha Raabe [SPD])
Meine Damen und Herren, deshalb können wir sagen: Wir haben im Bereich der Migration schon etliches geschafft. Der Bundesinnenminister wird seinen Masterplan vorstellen, wodurch in allen Bereichen noch einmal geguckt wird: Wo müssen wir effizienter werden? Wo müssen wir besser werden? Wo müssen wir schneller werden? – Wir werden natürlich auch das Thema der Integration für diejenigen, die Bleibeperspektiven haben, weiter in den Mittelpunkt stellen. Hier zeigt der Haushalt, dass der Bund Verantwortung übernimmt, weiter die Frage der Integration als eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe sieht. Diese gesamtgesellschaftliche oder gesamtstaatliche Aufgabe spiegelt sich auch im Haushalt wider; denn der Bund beteiligt sich erheblich an den Integrationskosten. Die Verhandlungen für die nächsten Jahre wird der Bundesfinanzminister im Sommer noch weiterführen. Das wird nicht ganz einfach; aber natürlich wollen wir auch da unseren Anteil leisten.
Meine Damen und Herren, wir haben insofern eine wirklich drängende Aufgabe vor uns, an der wir auch intensiv weiterarbeiten werden, über die es kontroverse Debatten auch in Zukunft geben wird, die uns bewegen, die uns wirklich auch fordern. Aber ich glaube, es ist richtig, sich mit dieser Frage intensiv zu beschäftigen und unser Wertegerüst hier auf diese neue Aufgabe auszurichten und außen- und innenpolitisch vernünftig zu handeln.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie der Abg. Ulli Nissen [SPD])
Der zweite Bereich – neben Europa – ist die globale Ordnung. Ich will, bei allen Problemen, die wir weltweit haben, noch mal darauf hinweisen, dass wir in den letzten Jahrzehnten auch vieles erreicht haben:
1981 lebten noch 42 Prozent der Weltbevölkerung in absoluter Armut, also mit einem Einkommen von weniger als 2 Dollar pro Tag. Heute sind es 10 Prozent der Weltbevölkerung – bei viel mehr Menschen, aber 10 Prozent der Weltbevölkerung.
Der Anteil der Analphabeten in den 50er-Jahren war 64 Prozent der Weltbevölkerung; heute sind es weniger als 14 Prozent.
(Beatrix von Storch [AfD]: Der steigt ja in Deutschland!)
Der Anteil der weltweiten Militärausgaben war 1960 noch bei 6 Prozent des Welt-Bruttoinlandsprodukts; heute ist er bei 2,2 Prozent weltweit.
Es gibt Krankheiten wie zum Beispiel die Pocken, die völlig ausgerottet sind.
Das heißt, wir sollten nicht immer so tun, als ob alle Probleme unlösbar sind, sondern wir sollten zeigen, dass wir mithilfe von Entwicklungshilfe, internationalem Einsatz vieles auch gelöst haben. Und wir sind natürlich nicht am Ende.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Das sollte uns Mut machen, auch die Entwicklungsziele für 2030 jetzt umzusetzen und einfach weiterzuarbeiten für eine bessere Welt.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Aber zurzeit gerät etwas ins Wanken, was wir als fast unveränderlich gesehen haben, nämlich die Rolle multilateraler Organisationen. Wir haben jetzt die Zölle auf Aluminium und Stahl, und wir haben eine Diskussion, die weitaus schwerwiegender ist: Sollen – mit Blick auf die Importe in die USA – auch noch Zölle auf Autos erhoben werden? Meine Damen und Herren, das hat dann schon Züge eines Handelskonflikts – ich will jetzt mal noch nicht weitere Worte sagen –, und es lohnt sich alle Mühe, diesen Konflikt, damit er nicht zu einem wirklichen Krieg wird, zu entschärfen zu versuchen. Aber dazu gehören natürlich zwei Seiten.
Jean-Claude Juncker wird jetzt in die Vereinigten Staaten von Amerika fahren. Jean-Claude Juncker wird Vorschläge unterbreiten: Was können wir tun? Aber ich hoffe, dass wir das vermeiden können; denn das gute Funktionieren der Weltwirtschaft hängt davon ab, dass wir partnerschaftlich auch hier miteinander zusammenarbeiten. Die internationale Finanzkrise, die dazu geführt hat, dass wir jetzt immer im Format der G 20 tagen, wäre niemals so schnell behoben worden – es war trotzdem noch schmerzhaft –, wenn wir nicht international und kameradschaftlich und multilateral zusammengearbeitet hätten, und dies muss auch weiter geschehen. Deutschland wird sich jedenfalls dafür einsetzen – und die gesamte Europäische Union.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Deshalb müssen wir unsere Verpflichtungen aus dem Klimaabkommen erfüllen. Deshalb werden wir uns für eine Stärkung der Welthandelsorganisation einsetzen. Deshalb werden wir in den Formaten G 7 und G 20 weiter intensiv miteinander zusammenarbeiten, und deshalb setzen wir natürlich auch auf Bündnisse wie zum Beispiel die NATO. Nächste Woche findet der NATO-Gipfel in Brüssel statt, und es gibt kritische Anmerkungen, gerade der Vereinigten Staaten von Amerika, dass Deutschland nicht genug im Verteidigungsbereich ausgibt. Ich bin sehr dankbar, dass wir im Haushalt Steigerungen unseres Verteidigungsetats haben – genauso wie wir Steigerungen des Entwicklungsetats haben. Aber gemessen an dem, was andere bezogen auf ihr Bruttoinlandsprodukt tun, ist das längst nicht ausreichend, und deshalb haben wir uns auch verpflichtet, bis 2024 1,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts dafür auszugeben.
Ich habe über die Effizienzverbesserungen innerhalb der europäischen Zusammenarbeit hier gesprochen; ich will das nicht wiederholen. Ich will nur noch einmal deutlich machen: Deutschland ist ein verlässlicher Partner in der NATO – wir sind der zweitgrößte Truppensteller; wir sind an vielen Missionen beteiligt –, und Deutschland wird auch ein verlässlicher Partner der NATO bleiben, meine Damen und Herren.
Man kann auch nicht so tun, als wenn das Thema Verteidigung nicht ein drängendes in unserer heutigen Zeit ist. Wir alle haben uns gewünscht, dass nach dem Ende des Kalten Krieges die Welt friedlicher wird. Aber vor unserer Haustür toben die Kriege: der Bürgerkrieg in Syrien, der IS im Irak, der Gott sei Dank einigermaßen besiegt ist, aber uns immer noch in Atem halten wird.
(Zuruf der Abg. Heike Hänsel [DIE LINKE])
Die Situation in Afghanistan ist nicht befriedet. Die Krim ist annektiert. In der Ostukraine haben wir eine schwierige Situation. Sich nicht auf Bündnisverteidigung vorzubereiten, wäre fahrlässig, meine Damen und Herren, und deshalb sind wir das schuldig und müssen wir hier weiterarbeiten.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Es gibt die dritte große Herausforderung, die uns umtreibt und die uns in der Bundesregierung in vielen Facetten beschäftigt: Das ist die Digitalisierung. Sie verändert unsere Art zu leben, sie verändert unsere Art zu arbeiten. Die neue Bundesregierung hat strukturell auf diese Frage geantwortet: Wir hatten jetzt die erste Sitzung unseres Digitalkabinetts. Wir haben eine Staatsministerin für Digitalisierung. Wir haben die Strukturen so angepasst, dass wir intensiv in den Fragen zusammenarbeiten.
Wir werden vor allen Dingen nicht nur auf die technischen Entwicklungen Wert legen; die sind wichtig, Stichwort: Infrastrukturausbau. Der Bundesverkehrsminister hat hier ein Riesenaufgabenpaket: Förderung des Glasfaserausbaus, Versteigerung von Frequenzen, 5G ausrollen, und zwar nicht nur in den Städten, sondern auch in den ländlichen Regionen. Das ist Daseinsvorsorge für die Menschen in unserem Land.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Bis 2025 wollen wir, dass das für jeden erreichbar und zu erhalten ist.
(Christian Lindner [FDP]: Früher war mal 2018 das Ziel vom Breitbandausbau! Da hört man gar nichts mehr von!)
Das ist Voraussetzung dafür, dass wir überhaupt von gleichwertigen Lebensverhältnissen sprechen können.
Meine Damen und Herren, es geht dann aber auch um Datenschutz und den Umgang mit Daten, um Datenbewertung. Deshalb messe ich der Arbeit der Datenethikkommission eine sehr große Bedeutung bei.
Es geht um neue Technologien. Hier erarbeiten wir jetzt eine Strategie zur künstlichen Intelligenz. Wir drohen, da zurückzufallen – nicht, weil wir nicht die besten Fachleute haben. Wir haben dazu eine Anhörung gemacht; Deutschland hat herausragende Köpfe. Aber wir müssen das einbinden in eine Gesamtstrategie, von der Forschung bis hin zur Anwendung, damit uns nicht das passiert, was uns früher passiert ist: Wir haben den MP3-Player erfunden, aber niemals vermarktet. Jetzt muss es lauten: von der Forschung hin zur Anwendung in der Wirtschaft – gerade mit Blick auf unsere Stärke, nämlich die Industrie, das Internet der Dinge, Industrie 4.0. Das ist eine Prägung aus Deutschland, und die muss jetzt mit der Entwicklung der künstlichen Intelligenz zusammengebracht werden – eine ganz wichtige Aufgabe für die nächsten Jahre, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Aber damit nicht genug, sondern wir werden uns natürlich anschauen – der Bundesgesundheitsminister tut das beispielsweise –: Wie kann die Digitalisierung Einzug halten? Die Landwirtschaftspolitik und die gesamte Landwirtschaft werden sich in der digitalen Welt völlig anders aufstellen. Das führt zu viel besserem und effizienterem Einsatz zum Beispiel von Düngemitteln, zu besseren Möglichkeiten der Tierzucht. Es ist überhaupt noch nicht absehbar, welche neuen Bereiche wir da haben.
Trotzdem ist die Digitalisierung auch ein Gebiet, das Menschen Sorge macht, das Menschen Angst macht, weil damit natürlich völlige Veränderungen der Arbeitswelt verbunden sind. Der Bundesarbeitsminister wird sich zusammen mit der Bildungsministerin genau mit diesem Thema beschäftigen – Stichworte: Berufsbildungspakt, Nationale Weiterbildungsstrategie, Recht auf Weiterbildungsberatung, alles Dinge, die notwendig sind, damit Menschen diesen digitalen Wandel auch wirklich durchstehen können.
Und wir werden die Fragen der Besteuerung völlig neu zu besprechen haben. Deutschland setzt hier nicht auf eine schnelle Interimslösung. Aber dass es nicht sein kann, dass große Internetkonzerne in Deutschland keine Steuern zahlen, sehen wir ja auch ein. Deshalb hoffen wir, dass die OECD ihre Arbeiten schnell umsetzen kann.
(Zuruf des Abg. Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Meine Damen und Herren, wenn es um Handelsbilanzen zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten von Amerika geht, dann ist festzustellen, dass diese Handelsbilanzen, wenn sie einen großen Handelsüberschuss von Europa zeigen, immer zur Basis haben, dass es nur um den Austausch von Waren geht; darin sind Dienstleistungen überhaupt nicht enthalten. Wenn Sie die Dienstleistungen inklusive der digitalen Dienstleistungen hinzunehmen, dann haben Sie eine völlig andere Handelsbilanz, bei der es eher einen Überschuss der Vereinigten Staaten von Amerika gegenüber Europa gibt als umgekehrt. Das muss man auch einmal sagen.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)
Es ist sozusagen fast altmodisch, nur die Waren zu rechnen und nicht die Dienstleistungen mit hineinzunehmen.
Meine Damen und Herren, wir sind jetzt etwas mehr als 100 Tage als Regierung im Amt. Wir haben vieles bereits vorangebracht.
(Lachen bei der AfD)
Nicht nur, dass wir jetzt einen Haushalt für das Jahr 2018 haben. Wir haben Arbeitslosenzahlen, die uns wirklich hoffnungsvoll stimmen, die niedrigste Arbeitslosigkeit seit der deutschen Einheit – im Juni 5 Prozent, meine Damen und Herren –,
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
viele Regionen haben Vollbeschäftigung. Nicht nur, dass viele Menschen Arbeit haben, sondern – das ist ja das eigentlich Wichtige – es hat in den letzten Jahren auch zu besseren Lohnentwicklungen geführt. Diese Lohnentwicklungen zeigen sich jetzt auch in der Steigerung des Mindestlohns. Das heißt, wir konnten jetzt wieder sagen: Der Mindestlohn wird angehoben. Das sagt im Übrigen eine Kommission, die sehr reibungsfrei und reibungslos arbeitet.
Den 21 Millionen Rentnerinnen und Rentnern können wir sagen: Die Renten steigen zum achten Mal hintereinander sehr deutlich. Das ist ein Riesenbeitrag dazu, dass gerade ältere Menschen besser leben können; denn bei den geringen Inflationsraten ist das ein Mehr an Geld im Portemonnaie.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Wir haben beschlossen, dass wir die Bürgerinnen und Bürger durch einen höheren Grundfreibetrag für Erwachsene und den Abbau der kalten Progression als Korrektur am Einkommensteuertarif entlasten.
(Zuruf des Abg. Christian Lindner [FDP])
Wir entlasten die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, indem wir zurückkehren zur paritätischen Beitragsfinanzierung.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Wir stärken Familien durch ein höheres Kindergeld und die Anpassung des steuerlichen Freibetrages für Kinder. Wir haben das Baukindergeld beschlossen. Wir haben steuerliche Anreize für den Wohnungsbau beschlossen. Wir tun mehr für den sozialen Wohnungsbau. Immer wieder ist hier gesagt worden: Wohnen ist die zentrale Herausforderung. – Hier hat die Bundesregierung bereits gehandelt. Ich danke allen dafür, die das auf den Weg gebracht haben.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Wir haben mit Blick auf den Strukturwandel in den Braunkohlegebieten eine Kommission eingesetzt, die mit dem Arbeiten begonnen hat und die nicht als Erstes fragt: „Wann steigen wir aus der Braunkohle aus?“, sondern die als Erstes fragt: „Wie können wir Menschen Perspektiven und Zukunft geben?“, und genau das ist die richtige Frage. Ich glaube, diese Kommission wird gute Antworten finden.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)
Wir haben einen Haushalt, mit dem wir keine neuen Schulden machen und der ein Riesenschritt dahin ist, damit wir wieder alle Maastricht-Kriterien erfüllen. Das ist ein Beitrag für die zukünftigen Generationen, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Wir haben im Übrigen sogar eines der schwierigsten Themen, nämlich Rückkehr von Teilzeit in Vollzeit, auf den Weg gebracht.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Das hat uns lange beschäftigt; jetzt ist es auf den Weg gebracht.
Also: Diese Bundesregierung arbeitet. Sie ist sich bewusst, dass sie viel zu tun hat. Sie wird die gesellschaftlichen Fragen so versuchen zu lösen, dass es zu einem besseren Zusammenhalt in der Gesellschaft kommt.
Herzlichen Dank für Ihre Unterstützung dabei.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)