Detlef Seif: "Wir müssen europäisch, international, aber auch national vorgehen"
Rede in der Aktuellen Stunde zum sog. Masterplan - Flüchtlings- und Integrationspolitik
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Der letzte Redebeitrag hat den Eindruck erweckt, als ob wir von der CDU/CSU-Bundestagsfraktion uns die Flüchtlinge und deren Lage nicht zu Herzen nehmen würden.
(Ulla Jelpke [DIE LINKE]: Das ist doch so! – Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gucken Sie sich das Schauspiel von gestern doch an!)
Ich betone aber an dieser Stelle ausdrücklich: Für die CDU/CSU-Bundestagsfraktion steht außer Frage, dass Deutschland sich zu den Menschen bekennt, die verfolgt werden – Punkt eins.
(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie machen den Eindruck gerade nicht! – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Beifall bei der Union!)
Punkt zwei. Andererseits muss es aber doch unser Anspruch sein, die Migration in unser Land zu ordnen, zu steuern und auch zu begrenzen,
(Beifall bei der CDU/CSU)
vor allen Dingen aber sicherzustellen, dass die Asylverfahren ordnungsgemäß und rechtmäßig ablaufen.
(Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben seit Jahren Zeit gehabt!)
Obwohl wir in den letzten drei Jahren – das sollte man hier nicht kleinreden – gesetzlich sehr viel auf den Weg gebracht haben, um die Verfahren zu ordnen und zu beschleunigen,
(Leif-Erik Holm [AfD]: Es hat nichts genützt!)
die Integration zu verbessern, ist unser Land an Grenzen gestoßen.
(Jürgen Braun [AfD]: Welche Grenzen?)
Das muss man erkennen. Die Massenzuwanderung der Jahre 2015 und 2016 hat in vielen Bereichen unserer Gesellschaft zu Verwerfungen geführt.
(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Und Sie sind schuld!)
Auch und gerade diese Asylpolitik hat dazu geführt, dass der Rechtspopulismus und der Rechtsradikalismus in unserem Land einen derartigen Schub bekommen haben.
(Leif-Erik Holm [AfD]: Ihre Politik!)
Deshalb hängt die positive Entwicklung unseres Landes auch ganz wesentlich von einer gelungenen Asylpolitik ab, die die Menschen mitnimmt.
(Beifall bei der CDU/CSU – Jürgen Braun [AfD]: Ihre Politik hat für den Brexit gesorgt! Ihre Politik, die Politik Ihrer Kanzlerin, hat mit für den Austritt Großbritanniens gesorgt!)
Insofern ist ein umfassender und auch vernetzter Ansatz sehr richtig. Ich bin dem Bundesinnenminister dankbar, dass er einen Masterplan vorgelegt hat,
(Jürgen Braun [AfD]: Niemand in Europa will Ihre Politik! – Leif-Erik Holm [AfD]: Wem denn? Wo ist er denn? – Dr. Marco Buschmann [FDP]: Wo ist er denn?)
und wundere mich, dass ein Landesinnenminister den Inhalt kritisiert, obwohl er ihn gar nicht kennt. Das hat mich vorhin wirklich verwundert.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Wir müssen europäisch, international, aber auch national vorgehen. Ein Kernbereich ist in jedem Fall die geordnete Migration nach Deutschland.
(Dr. Alexander Gauland [AfD]: Er durfte ja nicht! Wo ist der Plan? – Dr. Bernd Baumann [AfD]: Herr Kauder kennt ihn nicht! – Jürgen Braun [AfD]: Niemand in Europa will Merkels Politik!)
Vizepräsident Wolfgang Kubicki:
Liebe Kolleginnen und Kollegen, darf ich um Aufmerksamkeit bitten, auch wenn manche Fragen im Raum stehen.
Detlef Seif (CDU/CSU):
Hier müssen wir sehen: Das föderale Gefüge hat uns nicht immer genutzt. Auch da setzt der Masterplan an. Der vorliegende Masterplan hat 63 Punkte.
(Ralf Kapschack [SPD]: Woher wissen Sie das denn? – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Wieso haben Sie das denn schon? Wir haben den Masterplan noch nicht! Können Sie ihn bitte vorlesen?)
Und lediglich ein Punkt war in den letzten Tagen in der Diskussion: Zurückschiebung im grenznahen Raum gemäß § 18 Asylgesetz. Meine Damen und Herren, Anfang 2016 habe ich zusammen mit 43 Unionskollegen gefordert, dass grenzpolizeiliche Maßnahmen umgesetzt werden. Deshalb können Sie sicherlich nachvollziehen, dass ich große Sympathie für diesen einen Punkt habe.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Aber man darf es nicht überspannen. Wir können nicht jeden an der Grenze zurückweisen. Man hört in den letzten Tagen ja die merkwürdigsten Ausführungen. Natürlich gibt es Fälle – unbegleitete Minderjährige, Familienbindung, systemische Mängel in einem anderen Land –,
(Jürgen Braun [AfD]: Das ist doch unehrlich!)
in denen wir nach den Rechtvorschriften nicht zurückweisen dürfen.
(Jürgen Braun [AfD]: Sie müssen doch nur wollen!)
Aber wir können es doch niemandem erklären: Wer bereits ein anerkannter Asylbewerber ist, wer woanders einen Asylantrag gestellt hat, wer nach der Dublin-Verordnung bereits zurückgeführt ist, steht wieder vor der Türe und wird hereingelassen.
(Jürgen Braun [AfD]: Die Bundespolizei war doch vor drei Jahren schon bereit!)
Das geht nicht, und das muss auch verändert werden.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)
Letztlich müssen wir vermeiden – da brauchen wir keine Belehrung von der AfD, die sowieso in eine ganz falsche Richtung geht –,
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Bernd Baumann [AfD]: Genau wie Sie auch!)
dass sich die Asylbewerber das Land aussuchen können, sondern dass wir als Politik, als Gesellschaft entscheiden, wer zu uns kommt.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Anderenfalls entstehen auch neue Anziehungseffekte, Pulleffekte mit neuen Problemen. Das Problem ist zu lösen, aber nicht binnen weniger Tage.
(Jürgen Braun [AfD]: Sie hatten drei Jahre! Drei Jahre Unsinn! Drei Jahre Spaltung!)
Ein akuter Handlungsdruck ist auch gar nicht da. 2015 kamen 800 000 Menschen. Die Zahl ist im letzten Jahr auf 186 000 gesunken. Dieses Jahr sind es voraussichtlich 165 000. Die Zahl ist natürlich immer noch zu hoch. Aber es ist kein Grund, jetzt in Panik zu verfallen und alle politischen Regeln über Bord zu werfen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Burkhard Lischka [SPD]: Landtagswahlen in Bayern!)
Wir müssen für die Zukunft gewappnet sein. Eine Situation wie 2015 darf sich nicht wiederholen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Die Bundeskanzlerin hat für ihr Vorhaben, mit den betroffenen EU-Staaten bilaterale Vereinbarungen zur Rückübernahme zu treffen, unsere volle Unterstützung verdient. Am Ende ist klar: Sollten die europäischen Partner sich gänzlich verweigern, müssen wir neu denken und national nachsteuern.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU – Albrecht Glaser [AfD]: Ach!)