Dr. Stephan Harbarth: Es kann keinen Familiennachzug für Gefährder geben
Gesetz zur Neuregelung des Familiennachzugs zu subsidiär Schutzberechtigten
Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Mit dem Gesetz, das wir heute beraten, kommt ein politisches Ringen an sein Ende, das uns über zwei Jahre begleitet hat, nämlich die Frage, wie wir den Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten regeln. Wenn wir allein nach unserem Herzen entscheiden könnten, dann würden wir gerne jedem Menschen helfen, der sich ein besseres Leben wünscht,
(Annalena Baerbock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es geht um Leben und Tod!)
dann würden wir gerne jeder Familie helfen, zueinanderzukommen. Aber es gilt das, was der seinerzeitige Bundespräsident Joachim Gauck so vortrefflich auf den Punkt gebracht hat: „Unser Herz ist weit. Aber unsere Möglichkeiten sind endlich.“ Deshalb ist dieser Gesetzentwurf ein klassischer Kompromiss. Er ist ein Kompromiss, der nicht die Augen verschließt vor der Not mancher Familie, der aber zugleich unseren Anspruch umsetzt, Migration zu steuern und auf ein gesellschaftlich akzeptiertes Maß zu begrenzen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Ich möchte sehr dazu raten – mir scheint dies in der Diskussion zu wenig Beachtung zu finden –, die Diskussion um den Familiennachzug nicht nur im Rückblick auf diejenigen zu führen, die in Deutschland sind und denen bereits subsidiärer Schutz zuerkannt worden ist, sondern die Diskussion auch mit Blick in die Zukunft zu führen, das heißt mit Blick auf diejenigen, die entschlossen sind, sich auf den Weg nach Europa zu machen, und für die sich die Frage stellt, wo sie am besten einen Antrag stellen.
Ein unbeschränkter Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten wäre gerade für diesen Personenkreis ein ganz wesentlicher Anreiz für eine Antragstellung in Deutschland. Denn zahlreiche unserer Nachbarn haben diesen Nachzug zu subsidiär Schutzberechtigten inzwischen eingeschränkt oder hatten einen solchen Nachzug nie. Deshalb würde dies die Unwuchten in der Flüchtlingsverteilung in Europa weiter verstärken, und genau das wollen wir nicht.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Die Große Koalition hat hart und erfolgreich dafür gearbeitet, den Zustrom von Migranten nach Deutschland deutlich zu senken. Wir wollen sicherstellen, dass die Zahl der Flüchtlinge dauerhaft niedrig bleibt und dass sie sich an der Integrationskraft unseres Landes orientiert. Genau deshalb wollen wir nicht, dass diese Zielsetzung konterkariert wird durch einen unbeschränkten Nachzug, der eine Magnetwirkung innerhalb Europas entfaltet.
Die kommunalen Spitzenverbände haben immer wieder dargelegt, wie enorm die Belastungen für die Kommunen durch den Familiennachzug zu denjenigen Schutzberechtigten bereits sind, die unter die Bestimmungen der Genfer Flüchtlingskonvention fallen. Sie haben dementsprechend mehr als einmal an den Deutschen Bundestag appelliert, den Nachzug zu subsidiär Schutzberechtigten dauerhaft auszusetzen, und diesem Ansinnen verschließen wir uns nicht.
Für CDU und CSU muss sich der Familiennachzug nach unseren Aufnahmemöglichkeiten richten. Es ist deshalb richtig, dass bei der Auswahlentscheidung künftig auch Integrationsbemühungen gewürdigt werden. Für meine Fraktion ist klar: Leistung muss sich lohnen. Wer sich anstrengt, wer fleißig ist, wer Deutsch lernt,
(Luise Amtsberg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann lassen Sie auch alle teilnehmen!)
wer seinen Lebensunterhalt durch Arbeit sichert, wer bereit ist, sich in dieses Land kulturell zu integrieren, der muss beim Nachzug seiner Familie besser gestellt werden als derjenige, der all dies mit Inbrunst ablehnt.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Präsident Dr. Wolfgang Schäuble:
Herr Kollege Harbarth, gestatten Sie eine Zwischenfrage aus der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen?
Dr. Stephan Harbarth (CDU/CSU):
Sehr gerne.
Filiz Polat (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Herr Dr. Harbarth, ist Ihnen bekannt, dass insbesondere die Union die Einschränkung durchgesetzt hat, dass bestimmte Personen, unter anderem die große Zahl der Afghanen, nicht an Integrationskursen teilnehmen dürfen?
Dr. Stephan Harbarth (CDU/CSU):
Für uns, Frau Kollegin, ist der Schutz, den Flüchtlinge in diesem Land finden, ein Schutz auf Zeit. Für uns ist die zentrale Frage zu Beginn des Aufenthalts: Wer hat in diesem Land eine Perspektive, dauerhaft bleiben zu können, und wer hat eine Perspektive, dieses Land rasch verlassen zu müssen?
(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Genau!)
Bei denjenigen, die dieses Land rasch verlassen müssen, geht es nicht um Integration, sondern es geht darum, sie rasch in ihre Heimatländer zurückzuführen.
(Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben vorher gerade noch gesagt: Leistung soll sich lohnen! Und jetzt?)
Wenn Sie berücksichtigen, wie das Auswärtige Amt die Sicherheitslage in Afghanistan beschreibt, dann stellen Sie fest, dass es bei der Gruppe der Afghanen ganz entscheidend darum geht, dass wir unsere Bemühungen verstärken, sie wieder in ihre Heimat zurückzuführen, statt sie in unser Land zu integrieren.
(Beifall bei der CDU/CSU – Michel Brandt [DIE LINKE]: Was ist das für ein Unsinn!)
Meine Damen und Herren, erlauben Sie mir, ein Wort zum viel diskutierten Thema des Familiennachzugs für Gefährder zu sagen, das Gegenstand eines Änderungsantrags sein wird, auf den sich die Koalitionsfraktionen bereits verständigt haben. Die Haltung der Union war von Anfang an klar: Es kann keinen Familiennachzug für Gefährder geben. Wir wollen alles unternehmen, damit Gefährder Deutschland verlassen müssen. Wir werden ganz gewiss gegen ihre Ausweisung nicht noch das Hindernis einer vorhergehenden Familienzusammenführung auftürmen.
Bei der Ausweisung wollen wir im Übrigen so weit gehen, dass wir die gesetzlichen Möglichkeiten schaffen, um sogenannten Doppelstaatlern die deutsche Staatsangehörigkeit zu entziehen. Der Staat muss hier mit aller Konsequenz vorgehen. Wer sich in einem solchen Ausmaß gegen die Werte unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung gestellt hat, dass er im Ausland für eine Terrororganisation kämpft, dem muss klar sein, dass es keinen Weg zurück nach Deutschland geben kann bzw. dass er seinen Platz in der deutschen Gesellschaft verwirkt hat.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Daher ist der Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit bei Deutschen mit mehreren Staatsangehörigkeiten, die im Ausland für eine terroristische Vereinigung kämpfen und gekämpft haben, wichtig und im Koalitionsvertrag verankert. Bei Gefährdern geht es uns nicht darum, sie in unser Land zu integrieren, es geht uns nicht um Familiennachzug, sondern es geht uns darum, sie im weitest möglichen Umfang und so schnell wie möglich aus unserem Land herauszubekommen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Meine Damen und Herren, in einer humanitären Ausnahmesituation hat Deutschland im Herbst 2015 mehr Flüchtlinge aufgenommen als der Rest Europas zusammen. Wir haben es geschafft, durch eine Vielzahl von Maßnahmen den Zustrom in der Zeit danach massiv zu reduzieren. Wir wollen, dass dies dauerhaft so bleibt, und uns an der Integrationsfähigkeit unseres Landes orientieren.
Bei den vielen Schritten, die wir ergriffen haben, ist derjenige, um den es heute geht, ein ganz wichtiger. Er ist ein ganz wichtiger Baustein in unserem Bemühen, Migration zu steuern und auf ein Maß zu reduzieren, das gesellschaftlich akzeptiert wird. Deshalb werden wir dieses parlamentarische Verfahren nun mit großer Entschlossenheit vorantreiben.
Vielen herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Burkhard Lischka [SPD])