Detlef Seif: Jetzt gilt es, die Behörde zukunftsfest zu gestalten
Haltung der Bundesregierung zu den Korruptionsvorwürfen beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Demokratie lebt von streitbarer Auseinandersetzung, vom Für und Wider von Argumenten. Aber es gibt auch in diesem Hohen Hause rote Linien. Wenn man ein Mitglied der Bundesregierung, eine Kollegin, mit einem stinkenden Bismarckhering vergleicht, der entsorgt werden muss, dann sind die Regeln überschritten, die wir uns selbst gesetzt haben. Das geht nicht.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Nun zur Sache. Die Ursachen für systemische Mängel beim BAMF liegen schon mehr als 25 Jahre zurück. 1993 wurde der Asylkompromiss beschlossen; in diesem Jahr gab es 438 000 Asylanträge zu bearbeiten. Die Antragszahlen gingen bis 2018 auf einen Tiefststand von 28 000 zurück. Man hatte sich seinerzeit entschieden, das Personal dieser Behörde nicht aktiv abzubauen, sondern nur keine Neueinstellungen vorzunehmen.
Trotz zusätzlicher Aufgaben wie die Führung des Ausländerzentralregisters und die Durchführung von Integrationsprojekten blieb die Behörde personell völlig aufgebläht. Es gibt eine Aussage des britischen Soziologen Parkinson zum Bürokratiezuwachs. Er sagt: Arbeit dehnt sich genau in dem Maße aus, wie Zeit zu ihrer Erledigung zur Verfügung steht. – Und das hat sich beim BAMF bemerkbar gemacht.
Wir müssen uns vorstellen: Vor zwei Jahren – und das im Zeitalter der EDV – wurden in einstweiligen Rechtsschutzverfahren auf Anfrage der Gerichte die Akten aus dem Computer händisch kopiert, sie wurden hin- und hergeschoben, und nach frühestens zwei, drei Wochen sind sie beim Verwaltungsgericht eingetroffen. Das ist der Behörde im Jahr 2015 auf die Füße gefallen, als ein exorbitant hoher Aufwuchs von Antragszahlen zu verzeichnen war. Zunächst stieg die Zahl der Anträge auf 476 000; absoluter Höhepunkt war das Jahr 2017 mit über 603 000 Entscheidungen.
Die Behörde war ineffektiv. Sie musste sich neu organisieren. Sie musste den Personalstand von rund 2 000 Mitarbeitern auf 10 000 erhöhen.
(Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die waren seit 2005 in Ihrer Leitung!)
Sie hatte 113 Außenstellen zu bilden. Es liegt doch auf der Hand: Bei der bestehenden Ineffizienz, dem Entscheidungsdruck und den vielen Mitarbeitern, die eingearbeitet werden mussten, konnte man angesichts dieser Antragsflut keine Qualitätssicherung betreiben. Bestes Beispiel: Franco A., Bundeswehrsoldat, spricht kein Arabisch, ist anerkannt worden als subsidiär Schutzberechtigter. Der Sachverhalt in Bremen setzt dem Ganzen jetzt die Krone auf.
Man muss aber sagen, es ist schon einiges auf den Weg gebracht worden. Die bisherigen Maßnahmen und die Überlegungen der Behörden, auch des BMI, gehen in genau die richtige Richtung: Ein Aktenmanager ist einzusetzen,
(Stephan Brandner [AfD]: „Aktenmanager“!)
der klare Zuständigkeitsregelungen vorgibt und sagt, wer welchen Fall bearbeitet. Die klassische Qualitätssicherung ist auszubauen, die Innenrevision. Vorgesehen ist die Überprüfung von 10 Prozent der Vorgänge im laufenden Geschäft.
(Stephan Brandner [AfD]: Am besten noch eine Wanderausstellung! Die hilft auch immer!)
Ein verstärkter Einsatz der IT zur Qualitätssicherung ist vorgesehen, auch die Bündelung von Sachverhalten nach Herkunftsländern. Das steigert das Wissen der einzelnen Sachbearbeiter. So können sie schneller und fundierter entscheiden. Vorgesehen sind auch die Einführung einer Führungsebene „Fachaufsicht“ und eine regelmäßige Fachaufsicht durch den Teamleiter. Das Mehraugenprinzip ist natürlich umzusetzen. Das steht seit 2003 in einer Richtlinie der Bundesregierung zur Prävention gegen Korruption. Die Gründe, warum sie nicht angewandt wurde, habe ich geschildert.
Meines Erachtens ist es aber auch sinnvoll, in sensiblen Bereichen die Dauer des Einsatzes der Mitarbeiter zu begrenzen und eine Rotation vorzunehmen. Ganz wichtig ist: Über die IT sollte eine vollständige, verfahrensbegleitende Dokumentation erfolgen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Die Prüfung des Bundesrechnungshofs ist richtig. Sie wird weitere Maßnahmen und Vorschläge ergeben.
Jetzt gilt es, die Behörde zukunftsfest zu gestalten; das ist schon angesprochen worden. Das BAMF nimmt eine Schlüsselrolle im Asylverfahren ein. Es wird auch eine tragende Rolle bei den AnKER-Zentren spielen. Die Behörde muss deshalb effizient und bestmöglich arbeiten. Kritisieren können wir gerne; aber noch besser ist es, den Bundesinnenminister bei dieser Aufgabe zu unterstützen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU)