Michael Brand: Wir stellen uns an die Seite derjenigen, die Unterstützung brauchen
Die Gewaltexzesse gegen die Rohingya stoppen – Für die vollständige Anerkennung als gleichberechtigte Volksgruppe in Myanmar
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In diesem Jahr jährt sich zum 70. Mal die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, die 1948 in Paris von der Generalversammlung der Vereinten Nationen verkündet worden ist. Dort heißt es:
Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren.
(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Menschenrecht auf Religionsfreiheit steht weltweit immer stärker unter Druck. Vor allem Minderheiten sind betroffen. Die Religionszugehörigkeit wird instrumentalisiert, Vorurteile und Vorbehalte verstärkt oder geschürt. Die Gewaltexzesse gegenüber der muslimischen Minderheit der Rohingya in Myanmar und ihre massenhafte Vertreibung sind ein besonders krasses Beispiel für die Verfolgung und Anlass für den heutigen überfraktionellen Antrag von CDU/CSU, SPD, FDP und Grünen.
Seit Sommer letzten Jahres sind nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR, und zwar innerhalb weniger Wochen, fast 700 000 Menschen aus Myanmar ins benachbarte Bangladesch geflohen: vor Massakern, vor systematischer Vergewaltigung, vor Brandschatzung ihrer Dörfer, schlicht um ihr Leben zu retten. Tausende Tote sind zu beklagen. Die Mehrheit der Flüchtlinge sind Kinder.
Der Menschenrechtskommissar der Vereinten Nationen bezeichnet die Übergriffe als „ethnische Säuberungen wie nach dem Lehrbuch“. Amnesty International hat im aktuellen Bericht festgehalten:
Die Ereignisse in Myanmar werden in die Geschichtsbücher eingehen als ein weiterer Beweis für das katastrophale Versagen der internationalen Gemeinschaft, Entwicklungen Einhalt zu gebieten, die den Nährboden für massenhafte Gräueltaten bilden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die systematische Diskriminierung der Rohingya durch ihren Ausschluss von der Staatsangehörigkeit sowie die Verweigerung bürgerlicher, sozialer und politischer Rechte sind das Instrument für ihre systematische Unterdrückung. Ihre Lage ist dramatisch. Auch das muss man in dieser Debatte erwähnen. Man darf sich die Augen nicht zukleistern.
(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP und der LINKEN)
Die Hilfsbereitschaft in Bangladesch ist groß. Die Vereinten Nationen, die EU und auch Deutschland haben auf die Notlage reagiert und beteiligen sich an der internationalen humanitären Hilfe.
Ich will aber auch sagen: Wir dürfen uns keiner Illusion hingeben. Die humanitäre Hilfe darf nicht zum Alibi verkommen für die Unfähigkeit der Staatengemeinschaft, Konflikte zu lösen. Wir sehen das im achten Jahr des Syrien-Krieges, und wir sehen das schon viel zu lange im Jemen. Der heutige Antrag will einen zu lange verdrängten Konflikt ins Bewusstsein rufen und fordert konkrete Maßnahmen.
Die Bundesregierung wird aufgefordert, eine aktivere Rolle zu spielen und gegenüber der Regierung in Myanmar und im Rahmen der VN darauf hinzuwirken, dass die Menschenrechtsverletzungen gestoppt werden, dass den humanitären Hilfsorganisationen uneingeschränkter Zugang, zum Beispiel nach Rakhine, gewährt wird, dass die Verbrechen aufgearbeitet werden und dass die Empfehlungen der Kofi-Annan-Kommission umgesetzt werden, wozu sich ja die Regierung in Myanmar auch bekannt hat.
Die Verbrechen gegen die Minderheit der muslimischen Rohingya führen uns doch auch exemplarisch vor Augen, wie wichtig unser Einsatz für Religionsfreiheit weltweit ist. Gestern haben wir hier im Haus über den notwendigen Einsatz gegen die Verfolgung der Christen beraten, der weltweit am stärksten verfolgten Gruppe. Das Thema „Christenverfolgung und Religionsfreiheit“, liebe Kollegen von der AfD,
(Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das muss man sich von denen nicht sagen lassen!)
lässt sich keineswegs auf einen Kulturkampf zwischen dem Christentum und dem Islam reduzieren, wie mancher behauptet – auch, um bewusst zu spalten oder das eigene politische Süppchen zu kochen.
(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Ich muss es Ihnen wieder in Erinnerung rufen: Beim Terror des sogenannten „Islamischen Staates“ sind nach wie vor die meisten Opfer Muslime, die die aggressive Ideologie der Krieger eben nicht teilen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der FDP, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Ich will den Bamberger Erzbischof Ludwig Schick zitieren:
Unser Einsatz für die Christen ist exemplarisch, aber nicht exklusiv.
Sie müssen endlich zur Kenntnis nehmen: Religiöse Verfolgung kennen auch die Bahai, die Ahmadiyya, die Jesiden, die Schabak, die Aleviten, die Juden, die Schiiten und Sunniten, die Tibeter, die Uiguren, die Christen aller Konfessionen und Traditionen und die Muslime wie die Rohingya.
Lieber Herr Braun, Sie sollten zwischendurch auch einmal in die Bibel schauen. Da heißt es nämlich: „Du sollst nicht falsch Zeugnis reden ...“
(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Lachen des Abg. Dr. Alexander Gauland [AfD])
Was Sie hier behauptet haben, ist hier in der Debatte gestern Abend von keinem der anderen Parteien gesagt worden. Und wenn Sie dann auch noch die Begriffe übernehmen – „sogenannte Volksgruppe“, „Kampfbegriff ‚Rohingya‘“ –,
(Dr. Alice Weidel [AfD]: Ja, genau das!)
dann stellen Sie sich eindeutig auf eine bestimmte Seite, nämlich auf die falsche,
(Dr. Alice Weidel [AfD]: Nein!)
nicht auf die Seite der Verfolgten.
(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Jürgen Braun [AfD]: Sie stehen auf der Seite der islamistischen Mörderbanden!)
Sie legen den gleichen Zynismus, die gleiche Überheblichkeit, die gleiche Aggressivität bei diesem sensiblen Thema an den Tag wie gestern Abend.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Alice Weidel [AfD]: Sie sollten sich auch einmal mit den Leuten unterhalten! Sie haben überhaupt keine Ahnung!)
Liebe Kolleginnen und Kollegen der Linken, ich will Ihnen auch sagen: Wir werden Ihren Antrag ablehnen; denn es gibt kein Recht auf Migration, und es gibt auch kein Recht, sich ein Land und einen Pass auszusuchen.
(Beifall bei Abgeordneten der AfD – Dr. Alice Weidel [AfD]: Sie machen ja vor, wie das geht! – Jürgen Braun [AfD]: Hört! Hört! – Michel Brandt [DIE LINKE]: Darum geht es gar nicht!)
Wir stellen uns an die Seite derjenigen, die Unterstützung brauchen. Das unterscheidet uns von Ihnen.
Papst Franziskus hat gesagt, als er jetzt in Bangladesch bei den Rohingya-Flüchtlingen gewesen ist:
Wir werden weitermachen, ihnen zu helfen, sodass sie ihr Recht anerkannt bekommen. Wir werden nicht unsere Herzen verschließen, wir werden nicht wegschauen.
(Jürgen Braun [AfD]: Er hat den Begriff „Rohingya“ nicht benutzt! Zitieren Sie ihn richtig!)
Hören Sie auf Papst Franziskus!
(Jürgen Braun [AfD]: Papst Franziskus hat nicht „Rohingya“ gesagt, Herr Brand! Denken Sie bitte dran! – Gegenruf des Abg. Frank Schwabe [SPD]: Ja, Herr Braun, es steht jetzt ja zweimal im Protokoll!)
– Herr Braun, es gilt das Gleiche, was ich eben gesagt haben: Sie sollten das wirklich richtig verfolgen. Dass Sie jetzt der Sprecher von Papst Franziskus sind, ist nun wirklich nicht der Fall.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD – Jürgen Braun [AfD]: Bleiben Sie bei der Realität bei den Zitaten! – Dr. Alice Weidel [AfD]: Sie müssen richtig zitieren!)
Ich möchte zum Schluss kommen. Ein Kernanliegen unserer werteorientierten Außenpolitik ist die weltweite Anerkennung des fundamentalen Menschenrechts auf Religionsfreiheit.
(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Deshalb war es uns als CDU/CSU besonders wichtig, dass im Koalitionsvertrag erstmals vereinbart wurde, das neue Amt eines Beauftragten der Bundesregierung für weltweite Religionsfreiheit zu schaffen, sodass es künftig alle zwei Jahre einen Bericht dazu geben wird, und zwar mit einem systematischen Länderansatz. Das Papier soll allerdings nicht geduldig bleiben, sondern wir haben die Erwartung, dass sich die Erkenntnisse im Handeln der Regierungspolitik widerspiegeln. Als einen Verbündeten in dieser Frage sehen wir unseren neuen Beauftragten, Markus Grübel, dem wir unsere Zusammenarbeit anbieten und dem wir wirklich Erfolg bei dieser wichtigen Aufgabe wünschen.
Präsident Dr. Wolfgang Schäuble:
Herr Kollege Brand, Sie wollten zum Schluss kommen.
Michael Brand (Fulda) (CDU/CSU):
Dieser Bundestag zeigt gerade – jedenfalls an seinen linken und rechten Rändern –, dass es wichtiger denn je ist, dass sich alle, denen die Religionsfreiheit wichtig ist, für alle verfolgten Minderheiten einsetzen: für Christen bis hin zu verfolgten Muslimen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)