Dr. Reinhard Brandl: Ein stabiles Afghanistan liegt im deutschen Interesse
Rede zum Bundeswehreinsatz in Afghanistan
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Acht Jahre dauert es, bis ein Offizier der Bundeswehr so weit ausgebildet ist, dass er erste Führungsverantwortung übernehmen kann. Nach 13 Jahren führt er eine Kompanie und nach 18 Jahren ein Bataillon. Die afghanische Armee ist erst vor 15 Jahren gegründet worden, ist von Tag eins an im Einsatz und wird jetzt nach und nach aufgebaut. Ein Vergleich der afghanischen Armee mit der Bundeswehr hinkt an vielen Stellen,
(Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Hinkt sehr!)
aber einen Punkt möchte ich an dieser Stelle erwähnen: Der Aufbau einer Armee inklusive der Ausbildung der dafür notwendigen Führungskräfte ist kein Prozess von Jahren, sondern es ist ein Prozess von Jahrzehnten. Und es ist auch kein Prozess, der immer nur gerade und nach einem festen Plan verläuft. Er verläuft schon gar nicht nach einem Plan, den wir hier, 4 700 Kilometer von Kabul entfernt, in unserem warmen Bundestag schmieden.
Meine Damen und Herren, unsere Vorgänger haben sich 2001 trotzdem dafür entschieden, in den Einsatz nach Afghanistan zu gehen. Auch hatten wir seit 2001 Phasen, in denen wir oft gefragt worden sind, ob der Einsatz überhaupt Sinn macht. Ich sage auch: Diese Frage wird mir in den letzten Jahren nicht mehr so häufig gestellt. Angesichts von Migration und Terrorismus ist in der Bevölkerung ein Bewusstsein gewachsen, dass ein stabiles Afghanistan im deutschen Interesse liegt. Wir leisten gesamtstaatlich einen großen Beitrag dazu. Wir sind für Afghanistan zweitgrößter bilateraler Geber: 430 Millionen Euro jedes Jahr. Wir leisten einen Beitrag zum Aufbau der Polizei. Wir unterstützen jetzt bei der Vorbereitung der Wahlen. Wir leisten auch einen Beitrag bei der Ausbildung der afghanischen Armee. Unser Auftrag ist nicht mehr ein Kampfauftrag. Der Auftrag, den wir in Afghanistan haben, ist Beratung und Unterstützung. Ende 2014 hat die afghanische Armee die Sicherheitsverantwortung für das Land vollständig übernommen. Auch dieser Prozess ist seither nicht ganz nach Plan verlaufen.
Lieber Herr Kollege Liebich, ja, wir sind jetzt schlauer. Die afghanische Armee war nicht in der Lage, die Sicherheit vollständig zu garantieren.
(Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Das ist verharmlosend!)
Es ist ein Vakuum entstanden. Auf dem Weg dazu gab es auch Rückschläge. Die Taliban haben insbesondere auf dem Land wieder an Boden gewonnen, und es gibt in den Städten immer wieder Anschläge, vor allem auf Regierungsstellen und internationale Organisationen. Ein solcher Anschlag war zum Beispiel der Anschlag auf die deutsche Botschaft in Kabul, die immer noch nicht vollständig handlungsfähig ist. Aber an diesem Beispiel sieht man eines: Durch diese veränderte Sicherheitslage wird es auch für unsere zivilen Entwicklungshelfer immer schwieriger, ihre Aufgabe zu erfüllen. Es gilt hier wie an anderer Stelle der Satz: Ohne Sicherheit keine Entwicklung.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Meine Damen und Herren, wenn wir in Afghanistan Entwicklung wollen, dann müssen wir die afghanischen Sicherheitskräfte in die Lage versetzen, selbst und nachhaltig für Sicherheit im Land zu sorgen. Das ist ein langer Weg, der nicht Jahre, sondern – ich habe es gerade angesprochen – Jahrzehnte dauert. Auf diesem Weg gibt es immer wieder Rückschläge, dennoch sind sie gut unterwegs. Wir sind an ihrer Seite, um ihnen ab und zu auch einmal die Richtung zu zeigen.
Wir haben eine Verantwortung für Afghanistan übernommen. Seit 2001 sind wir in dem Land präsent. Dort hat sich vieles zum Guten entwickelt, und wir werden und dürfen das Land jetzt auch nicht im Stich lassen. Dementsprechend werden wir dem Mandat auch dieses Mal zustimmen.
Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der CDU/CSU)