Dr. Hendrik Hoppenstedt: Widerrufsrecht und Belehrungspflicht sollen Anreize zur ordnungsgemäßen Belehrung geben
Prüfung und Überarbeitung des Gesetzes zur Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie bezüglich des Handwerkerwiderrufs
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren auf der Zuschauertribüne! Ich möchte es mir nicht nehmen lassen, heute Morgen besonders eine Besuchergruppe aus meinem Wahlkreis zu begrüßen.
(Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Oh!)
– Ja, man muss etwas für seine Wiederwahl tun, meine Damen und Herren. –
(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Sie kommen aus Isernhagen, aus der Wedemark und aus Wunstorf.
(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Nennen Sie doch mal den Wahlkreis!)
Meine Damen und Herren, beim Antrag der AfD muss man dreierlei tun: erstens sich die Frage stellen, was im Antrag drinsteht – das ist selbstverständlich –, zweitens sich die Frage stellen, was alles Falsches im Antrag drinsteht, drittens sich die Frage stellen, was alles eigentlich gar nicht drinsteht.
(Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Viele wichtige Fragen!)
Zum ersten Punkt: Was steht im Antrag? Das haben wir eben schon ein bisschen gehört: Die AfD kritisiert das seit Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie im Jahr 2014 im BGB geregelte Widerrufsrecht der Verbraucher und die damit verbundenen Informationspflichten der Werkunternehmer, das heißt der Handwerker.
Die Forderungen der AfD haben Sie eben von Herrn Müller vernommen; deswegen möchte ich sie nicht noch einmal wiederholen. Interessant ist die Frage: Wie werden diese Forderungen begründet? Auch das wurde kurz umrissen. Nach Auffassung der AfD führen Widerrufsrecht und Informationspflichten – ich zitiere – „zu einem unverhältnismäßigen Zuwachs an bürokratischen Anforderungen“. Mit markigen Worten wie „Vielzahl an Bürokratie“, „Konvolut an Informationspflichten“ und „Bürokratie-Litanei“ malt die AfD das Bild, dass infolge der ausufernden Bürokratiepflichten der Wirtschaftsstandort Deutschland in Gänze gefährdet sei.
(Tino Chrupalla [AfD]: Das ist ja auch so!)
Man könnte glauben, der Untergang des Abendlandes stehe bevor.
(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Erst mal Deutschlands!)
Meine Damen und Herren, damit eines ganz klar ist und wir uns hier nicht missverstehen: Auch für uns ist Bürokratieabbau ein Herzensthema.
(Jürgen Braun [AfD]: Oh! Sie haben doch Gelegenheit dazu gehabt!)
– Wir loben Sie gerade.
(Jürgen Braun [AfD]: Herrlich!)
Die Große Koalition hat deshalb in der letzten Wahlperiode eine Bürokratiebremse eingeführt. Bei jedem neuen Regelungsvorhaben müssen in gleichem Maße Belastungen abgebaut werden; „One in, one out“, das kennen Sie alle. Damit wird ein Anstieg der bürokratischen Belastungen für die Wirtschaft vermieden. Das funktioniert übrigens ausgesprochen gut.
(Zuruf von der AfD: Quatsch!)
Auch in dieser Wahlperiode wollen wir Bürokratieabbau weiter voranbringen, unter anderem durch Eins-zu-eins-Umsetzungen von EU-Vorgaben
(Jürgen Braun [AfD]: Gerade dadurch! Aus Brüssel kommt doch die ganze Bürokratie, der ganze Wahnsinn!)
– Hören Sie doch einfach einen Augenblick zu! –, durch die Vereinheitlichung von Schwellenwerten und durch die „One in, one out“-Regelung auch auf europäischer Ebene. Sie sehen: Auch für uns ist Bürokratieabbau ein elementares Thema.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Trotzdem scheint die Kritik der AfD ein bisschen dick aufgetragen zu sein. Den Informationspflichten kann man mit zwei, höchstens drei Vordrucken nachkommen. Diese stellt der Gesetzgeber übrigens im EGBGB inklusive Ausfüllhilfen zur Verfügung. Wenn ein Handwerker dieses Gesetzeswerk nicht zur Hand hat – was ja jetzt keine Schande ist –, dann kann er sich problemlos bei seiner Handwerkskammer vor Ort oder beim ZDH die entsprechenden Vordrucke aus dem Internet herunterladen.
(Jürgen Braun [AfD]: Na klar! Sie sind eben kein Handwerker!)
Worum geht es in der Sache? Es geht um den Verbraucherschutz bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Werkverträgen. Ein Verbraucher bestellt zum Beispiel einen Handwerker zu sich nach Hause, damit der Handwerker sich die Situation vor Ort ansehen kann und mit ihm die gewünschten Leistungen besprechen kann. Wenn es dort zum Vertragsschluss kommt, hat der Verbraucher grundsätzlich ein Widerrufsrecht. Die Frist beträgt 14 Tage, bei fehlender oder nicht ordnungsgemäßer Widerrufsbelehrung verlängert sich diese auf maximal ein Jahr und 14 Tage.
Hat der Handwerker nicht korrekt informiert und beginnt mit den Arbeiten, dann hat er nach allgemeinem Werkvertragsrecht tatsächlich keinen Anspruch auf Wertersatz, wenn der Verbraucher von seinem Widerrufsrecht Gebrauch macht. Der Verbraucher schuldet Wertersatz nur dann, wenn der Verbraucher vom Unternehmer ausdrücklich verlangt hat, dass er vor Ablauf der Widerrufsfrist mit der Arbeit beginnt, wenn er dieses Verlangen auf einem dauerhaften Datenträger übermittelt hat und wenn der Unternehmer den Verbraucher über das Widerrufsrecht ordnungsgemäß informiert hat. Ich gebe zu, das klingt einigermaßen kompliziert.
(Beifall bei der AfD – Tino Chrupalla [AfD]: Gut erkannt!)
– Es ist, wenn man sich damit befasst, ganz einfach, aber für Freitagmorgen, kurz nach zehn, ist das für solches Auditorium in der Tat nicht ganz unkompliziert.
(Lachen und Beifall bei Abgeordneten der AfD – Dr. Johannes Fechner [SPD]: Na, na, na!)
Und da fragt man sich natürlich, wer so etwas um diese Uhrzeit auf die Tagesordnung setzt.
Die Regelung entspricht übrigens eins zu eins der Richtlinie und ist Inhalt des Musterwiderrufsformulars.
(Jürgen Braun [AfD]: Super!)
Keine oder falsche Belehrung führt dazu, dass es keinen Wertersatz gibt. Diese Rechtsfolge ist in der Tat ein scharfes Schwert. Was hat man sich dabei gedacht? Ein Widerrufsrecht, das der Verbraucher nicht kennt, nützt ihm nämlich nichts.
(Beifall der Abg. Sarah Ryglewski [SPD])
Widerrufsrecht und Belehrungspflicht sollen Anreize zur ordnungsgemäßen Belehrung durch Vertragspartner geben. Deshalb ist die von der Richtlinie vorgesehene Rechtsfolge so rigoros.
Was ist also dem Handwerker zu raten? Er sollte Widerrufsbelehrungen zu Vor-Ort-Terminen mitnehmen und sich vom Besteller die Übergabe schriftlich bestätigen lassen. Er sollte mit den Arbeiten möglicherweise erst nach Ablauf der Widerrufsfrist beginnen. Wenn der Verbraucher den sofortigen Beginn der Arbeiten wünscht, dann müssen die von mir eben dargestellten drei Voraussetzungen gegeben sein, damit der Handwerker schlimmstenfalls Wertersatz erhält.
Man kann sich in der Tat die Frage stellen, ob eine Regelung, die beim klassischen Verbrauchsgüterkauf sinnvoll ist, für alle Werkverträge passt. In Fällen, in denen der Verbraucher den Handwerker ausdrücklich zu sich nach Hause bestellt hat, kann es tatsächlich unbillig sein, dass der Handwerker im Ergebnis kostenlos arbeitet, weil er fehlerhaft informiert hat. Allerdings haben sich die Handwerker seit 2014 mit dieser Regelung arrangiert.
(Tino Chrupalla [AfD]: Abgefunden, ja!)
Der Wirtschaftsstandort Deutschland jedenfalls ist dadurch nicht gefährdet. Der Wirtschaftsstandort Deutschland ist möglicherweise wesentlich stärker gefährdet durch Ihre ausländerfeindlichen Ausfälle auf Ihren Aschermittwochsveranstaltungen.
(Lachen bei der AfD)
Damit sorgen Sie für Unmut, und das ist ein viel größeres Problem für unsere Wirtschaft.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Jürgen Braun [AfD]: Was anderes fällt Ihnen nicht ein, Herr Hoppenstedt?)
– Hören Sie doch einfach zu. Regen Sie sich nicht immer so auf!
(Jürgen Braun [AfD]: Wenn Sie mal was sagen würden!)
Was steht eigentlich nicht in dem Antrag? Herr Müller, jetzt komme ich zu Ihren geliebten Steckdosen. In dem Antrag wird als plastisches Beispiel auf die Installation einer zusätzlichen Steckdose abgestellt; das haben Sie ja häufig genug jetzt auch mündlich dargestellt. In über 95 Prozent aller Fälle werden Steckdosen aber entweder in Neubauten oder aber bei Generalsanierungen von Gebäuden verbaut. Für diese gilt aber das seit dem 1. Januar dieses Jahres geltende Bauvertragsrecht. Das ist tatsächlich erst seit wenigen Wochen Gesetzeslage.
(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das weiß der bestimmt noch gar nicht!)
Leider fußt Ihr Steckdosenbeispiel, das Sie immer nach vorne schieben, auf einer veralteten Rechtslage. Das wäre mir an Ihrer Stelle ein bisschen peinlich.
(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Wie der gesamte Antrag!)
Aber ich kann hier ja für Aufhellung sorgen.
Das Widerrufsrecht des Verbrauchers gemäß § 312g BGB, das Sie hier kritisieren, und die daraus resultierenden Informationspflichten des Werkunternehmers gelten bei Verbraucherbauverträgen gerade nicht. Die Steckdose können Sie sich als Verbraucher schlimmstenfalls über eine einseitige Anordnung legen lassen, ohne dass der Handwerker Sie in irgendeiner Form belehren müsste. Für den gesamten Verbraucherbauvertrag, der das ganze Bauvorhaben betrifft und nicht nur eine einzelne Steckdose, gilt ein spezielles Widerrufsrecht. Bei diesem speziellen Widerrufsrecht gelten andere Rechtsfolgen als bei dem von Ihnen zitierten. Bei dem Verbraucherbauvertragsrecht haben wir nämlich das berücksichtigt, was wir aus der Verbraucherrechterichtlinie gelernt haben. Wir haben richtlinienkonform geregelt, dass der Unternehmer, anders als im sonstigen Werkvertragsrecht, Anspruch auf Wertersatz hat, wenn der Besteller das Widerrufsrecht wahrnimmt. Der Verbraucher schuldet Wertersatz grundsätzlich in Höhe der vereinbarten Vergütung. Das ist gut für den Unternehmer. Damit ist der Handwerker aus dem Schneider.
Fazit und letzte Bemerkung: Der Zentralverband des Deutschen Baugewerbes sagt, dass das Baugewerbe keine großen Auswirkungen des Widerrufsrechts erwartet. Der ZDH sieht das übrigens ganz genauso. In der Praxis ist demnach das Widerrufsrecht bei Bauverträgen und damit auch bei Ihren Steckdosen jedenfalls kein generelles Problem, weswegen ich Ihnen auch keine große Hoffnung darauf machen kann, dass wir Ihrem Antrag irgendwann einmal zustimmen werden.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Schon gar nicht wegen der Steckdosen!)